Am 02.04.2020 hatten wir die tolle Möglichkeit, MdL Daniela Beihl in unserem ersten Instagram-Livestream Fragen zur aktuellen Landtagsarbeit während Corona und Auswirkungen auf hochschulpolitische Themen zu stellen. Nicht alle euerer Fragen konnten behandelt werden, daher hat uns Frau Beihl freundlicherweise folgende Antworten auf die noch offenen Fragen gesendet. Viel Spaß beim Lesen Ihrer spannenden Antworten und Statements!

 

Jedes Semester entstehen durch die benötigen Materialen (Bücher, Skripte, etc.) hohe Kosten für die Studierenden. Was halten Sie von der Idee der kompletten, kostenfreien Lehrbuch-Digitalisierung? Wäre es nicht sinnvoller, wenn wir unsere Bibliotheken komplett digitalisieren und kostenfrei zugänglich machen? (Wie ist der aktuelle Stand?) 

Bereits heute haben viele Universitätsbibliotheken Verträge mit Verlagen (z.B. Springer-Lehrbuch) abgeschlossen, welche es den Hochschulen ermöglichen ihren Studierenden bestimmte Lehrbücher kostenlos in digitaler Form zur Verfügung zu stellen. Dies ist allerdings nur in einem geschützten Bereich aus dem Uni-WLan möglich, um eine unkontrollierte Weitergabe urheberrechtlich geschützten Materials zu verhindern. Wichtig ist es allerdings zu betonen, dass Bücher und Skripte das geistige Eigentum der Autorinnen und Autoren bzw. der Verlage sind. Die Arbeit der Autorinnen und Autoren muss nach wie vor vergütet werden (sofern die Urheber dies wünschen), damit es sich nach wie vor lohnt didaktisch und fachlich anspruchsvolle Lehrbücher herauszugeben. Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, dass Universitätsbibliotheken ihr Angebot an digitalen Lehrbüchern ausbauen. Für die Bibliotheken entstehen dadurch allerdings erheblichen Kosten. 

Ein Großteil der universitären Veranstaltung besteht größtenteils aus Monologen der Lehrenden. Dadurch fehlt die Einbindung von Studierenden in mancherlei Hinsicht. Was sagen Sie dazu?

Das kann ich so pauschal nicht nachvollziehen – es gibt tolle Beispiele, auch in Vorlesungen andere Formate einzusetzen wie Blended-Learning etc. Viele neue Formate werden im Moment entwickelt und erprobt – natürlich muss es auch im persönlichen Interesse eines/r Dozenten*in sein, etwas Neues auszuprobieren. Eigentlich sollte es in regelmäßigen Abständen Möglichkeiten der Evaluation von Kursen geben. Da könnte man solche konstruktive Kritik auch anbringen. 

Deutsche Universitäten liegen auf vielen internationalen Rankings (oft nur im mittleren Bereich) hinter anderen europäischen Universitäten. Was können wir dagegen tun?

Die Dominanz der angelsächsischen Universitäten in den internationalen Rankings hat verschiedene Gründe. Zunächst einmal verfügen diese Universitäten über umfassende finanzielle Mittel, da diese sehr hohe Studiengebühren erheben und zudem Spenden von Unternehmen und Absolventen eine deutlich höhere gesellschaftliche Akzeptanz genießen. Darüber hinaus haben die USA und Großbritannien aufgrund der Sprache im Wettbewerb um die besten Studierenden und die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen deutlichen Standortvorteil. Damit deutsche Universitäten im internationalen Vergleich aufholen, müssen sowohl politische Weichenstellungen getroffen werden als auch Schritte seitens der Universitäten unternommen werden. Viele Universitäten haben bereits Strategien zur Internationalisierung ergriffen und damit den weltweiten Wettbewerb um die besten Studierenden sowie junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angenommen. Bestandteile solcher Strategien sind sowohl die Zunahme englischsprachiger Lehrveranstaltungen in solchen Fächern, in denen die relevante internationale Forschung in englischer Sprache publiziert wird, als auch die Eröffnung von Auslandsbüros. Allerdings besteht hier für deutsche Universitäten weiterer Handlungsbedarf. Auch seitens der Politik wurde Maßnahmen ergriffen um universitäre Spitzenforschung sowie den Wettbewerb zwischen den Universitäten zu stärken, etwa durch die Exzellenzinitiative oder über die Vergabe von öffentlichen Projektmitteln über die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Weitere politische Maßnahmen zur Stärkung des deutschen Universitäten im internationalen Vergleich könnten neben zusätzlichen Mitteln ein transparentes Einwanderungssystem nach kanadische Vorbild sein, welches Talente aus aller Welt willkommen heißt, statt diese durch intransparente Regeln sowie bürokratische Verfahren abzuschrecken. 

Sind digitale Klausuren (in allen Studiengängen) ein mögliches Konzept für die Zukunft?

Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft erarbeitet gerade gemeinsam mit uns und den Hochschulverbänden mehrere Rechtsverordnungen, welche den Hochschulen in dieser Krisenzeit mehr Flexibilität bei den Prüfungsformaten einräumen sollen. Dadurch könnte es etwa möglich werden, mündliche Prüfungen zum Beispiel per Videotelefonie durchzuführen. Die Hochschulen müssen dann entscheiden, in welchen Fällen digitale Prüfungsformen möglich sind. Welchen Einfluss dies auf den regulären Studienbetrieb hat, können wir jetzt noch nicht sagen. 

In anderen Ländern werden Vorlesungen in wesentlich kleineren Gruppen gehalten. Dadurch entsteht eine bessere Lernatmosphäre. Wieso sitzen wir hier mit über 1000 Studierenden in einem zu kleinen Saal? Wieso wird nicht genug investiert? Was muss passieren, damit sich daran etwas ändert?

In unserem Wahlprogramm, und dann auch zentraler Aspekt im Koalitionsvertrag, war es die Betreuungsrelation zu verbessern. Im letzten Jahrzehnt lag das Hauptaugenmerk der Hochschulfinanzierung darauf, die enorm gestiegenen Studierendenzahlen zu bewältigen. Jetzt muss es darum gehen die Qualität der Lehre – und da fällt die Betreuungsrelation rein – nachhaltig zu verbessern. Durch den Bund-Länder-Vertrag Zukunftsvertrag Studium und Lehre (ab 2021) erhalten die Hochschulen vom Bund und vom Land zusätzliche, unbefristete Finanzmittel. Diese sollen zentral zum Stellenaufbau und zur Entfristung von Stellen eingesetzt werden. Darüber hinaus werden wir auch die Qualitätsmittel, die 2012 für die weggefallenen Studienbeiträge eingeführt worden sind, von 249 Millionen auf 300 Millionen Euro erhöhen. 

Wie kann man Studierende unterstützen, die auf Minijobs angewiesen sind?

Studierende müssen ebenso wie viele andere gesellschaftliche Gruppen leider Einkommenseinbußen in Kauf nehmen. Studierende, die (solo-)selbstständig tätig sind und infolge von Corona massive Einkommenseinbußen verkraften müssen, können von der Soforthilfe des Landes NRW profitieren. Für Studierende, die Einkommenseinbußen aus einem Minijob verkraften müssen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eventuell besteht die Möglichkeit sich eine andere Tätigkeit zu suchen. Denn es gibt gegenwärtig viele unbesetzte Stellen, z.B. weil Arbeitskräfte aus dem Ausland nicht einreisen dürfen oder weil zusätzliche Bedarfe entstanden sind. Es besteht im Bedarfsfall die Möglichkeit BAföG zu beantragen. Auf Bundesebene werden zudem weitere Maßnahmen diskutiert. Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich etwa für ein Sonder-Wohngeld ein, was Studierenden deutlich schneller helfen würde als das BAföG, dessen Bearbeitung einige Zeit in Anspruch nimmt. 

Wie kann ein faires Abitur trotz Corona realisiert werden?

Ende vorletzter Woche hat Ministerin Gebauer bekannt gegeben, dass die Abiturprüfungen um drei Wochen verschoben werden – Schülerinnen und Schulen und Lehrinnen und Lehrer haben jetzt einen Fahrplan und Planungssicherheit. Die verlängerte Vorbereitungsphase ist der Situation angemessen. Im Moment bereiten sich die Abiturienten und Abiturientinnen vor – das ist der normale Zeitplan. Ich bin davon überzeugt, dass im Moment Lehrinnen und Lehrer das Möglichste tun, um ihre Schülerinnen und Schüler zu unterstützen. Natürlich befinden wir uns gerade in einer Ausnahmesituation, aber unserer Abiturienten und Abiturientinnen werden die Herausforderung bewältigen. Wichtig ist es hier zu erwähnen – die Landesregierung in NRW und die anderen Bundesländer wollen Abiturprüfungen abhalten. Sollte es aber zu einer geänderten Bewertung der Lage kommen, dann muss noch einmal neu geprüft werden. 

Was passiert mit Studierenden, die auf Pflichtpraktika in der vorlesungsfreien Zeit angewiesen sind? (Insbesondere in dem Fall, dass sich das Semester noch weiter nach hinten verschiebt wegen Corona)

Der offizielle Vorlesungsbeginn wird voraussichtlich nicht weiter verschoben, allerdings soll die Lehre soweit möglich digital erfolgen. Sofern Studienordnungen Pflichtpraktika vorsehen, welche in Hinblick auf Corona nicht durchgeführt werden können, müssen pragmatische Lösungen gefunden werden. Studierende sollten direkt über die studentischen Vertreter in den jeweiligen Gremien solche kritischen Punkte ansprechen. Aufgrund der sehr plötzlich eingetroffenen Lage können die Hochschulen unmöglich alle neu entstehenden Probleme in allen Studiengängen im Blick haben. Es ist daher wichtig, dass Studierende auf Probleme aufmerksam machen und in den Gremien konstruktiv an der Erarbeitung von Lösungen mitwirken. 

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit sich mehr Schüler aus finanziell schwachen Familien, Nicht-Akademiker-Familien und Familien mit einem Migrationshintergrund für ein Studium entscheiden? Wie kann man solche Schüler mehr unterstützen?

Diese Frage schneidet das große Thema „Chancengerechtigkeit“. Ich bin der festen Überzeugung, dass Bildungsgerechtigkeit Schlüssel und Grundlage für gesellschaftliche Verbesserungen ist. Die Basis dafür wird bereits in Grundschulen und noch früher, in der Kita gelegt. Unsere Kitas und Grundschulen brauchen mehr Personal und Kapazität. Daran wird bspw. durch die KIBIZ-Gesetzgebung, besserer Bedingungen für unsere Grundschulen und die Aufstockung der Grundschullehrer-Studienplätze gearbeitet. Mit Talentschulen haben wir in NRW den Versuch gestartet, Schulen in schwierigen sozio-ökonomischen Gebieten besondere Unterstützung zukommen zulassen. Grundsätzlich soll jede/r, der/die studieren will, dies auch tun. Aber man muss auch auf andere Wege aufmerksam machen. Viele fangen ihr Studium nach der Ausbildung an oder nutzen eventuell die neue Möglichkeit des Ausbildungsabiturs. Die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems muss erhöht werden, um individuelle Bildungsbiographien möglich zu machen. 

Was passiert mit Erasmus-Studierenden, die wegen der aktuellen Lage ihr Auslandssemester unterbrechen mussten? Vorab: Ganz wichtig ist die Rücksprache mit der eignen Hochschule und der Gasthochschule! 

Nach Informationen der Europäischen Kommission und des DAADs können Studierende, die sich mit einer Erasmusförderung im Moment in Ausland befinden, ihren Aufenthalt abbrechen und die Kosten für eine Rückreise im Rahmen der „force majeure“-Regelung unter bestimmten Bedingungen erstattet bekommen. Die Stipendienmonate, die ein Studierender bereits hinter sich hat, müssen nicht zurückgezahlt werden, auch wenn das Stipendienziel oder die Mindestaufenthaltsdauer durch den Abbruch nicht erreicht werden kann. Die Europäische Kommission hat zudem mitgeteilt: Wenn man Onlinekurse der Gasthochschule belegt, die dazu beitragen, das ursprüngliche „learning agreement“ zu erfüllen, kann das Stipendium weitergezahlt werden – unabhängig davon ob man im Gastland bleibt oder nach Hause fährt. Angesichts der weiten Verbreitung von Corona in anderen europäischen Ländern und der Reisewarnung des Auswärtigen Amts, sollten Auslandsemester nicht neu angetreten werden. Informationen: https://www.daad.de/de/coronavirus/#3 und https://ec.europa.eu/programmes/erasmus-plus/resources/coronavirus-impact_en 

Welche Zukunftsperspektive gibt es hinsichtlich digitalen Unterrichts in der Grundschule? Wie sollen und können in Zeiten von Corona entstandene Wissenslücken wieder nachgeholt werden?

Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind sehr ambitioniert, Schülerinnen und Schülern Aufgaben für zu Hause zu geben und sie auch bei der Bearbeitung virtuell oder am Telefon zu unterstützen. Da gibt es aktuell sehr unterschiedliche Modelle, die von den Lehrkräften genutzt werden. Die NRW-Koalition hat sich als Ziel gesetzt, alle Schulen aus der „Kreidezeit“ rauszuholen. Mit dem „DigitalPakt Schule“ stehen mehrere Millionen Euro bereit, die beantragt werden können, um an Schulen digitale Infrastruktur aufzubauen. Aber nur die Ausrüstung mit Hardund Software reicht nicht aus, unsere Lehrinnen brauchen auch Fortbildungen. Dafür wurden u.a. Medienhelfer installiert. 

Warum wurden in NRW Rechtsreferendaren, die für April zugelassen waren, die Zulassung wieder entzogen?

Im Land NRW werden im April keine Rechtsreferendare eingestellt. Grund dafür ist die coronabedingte Einschränkung im Verfahren. Die Bewerberinnen und Bewerber, denen eine beabsichtigte Einstellung in Aussicht gestellt worden war, sollen möglichst bald eingestellt werden. Die Bewerberinnen und Bewerber werden zu gegebener Zeit von den Oberlandesgerichten über einen neuen Sachstand unterrichtet. Bspw. https://www.olg-koeln.nrw.de/aufgaben/referendarabteilung/002_aktuelles/index.php

Klappt Distance Teaching auch in den Geisteswissenschaften?

Wichtig ist bei allen e-learning-Modellen/digitalen Lernformaten, dass methodisch-konzeptionell Formen gefunden werden, die auf Inhalt und Lernziel zugeschnitten sind. Nicht alle Tools funktionieren gleich gut für jeden Stoff, aber grundsätzlich sehe ich keinen Hinderungsgrund, warum es in nicht klappen sollte.